Nachdem ich in der letzten Zeit gefühlte 795 x über meinen Studienabbruch diskutiert habe, denke ich, ein paar klare Worte wären angebracht…
Da wird mir vorgeworfen, dass ich zu pessimistisch wäre, dass ich es doch versuchen könne, dass es doch gut sein könnte, dass ich viel länger lebe als gedacht. Meistens ausgesprochen von Leuten, die überhaupt nicht auch nur die geringste Ahnung haben, was dieses „länger“ sein soll.
1. wenn es euch interessiert und vor allem ihr eine Diskussion darüber starten wollt – SCHAUT NACH! Im Internet gibt es keine Ahnung wie viele Berichte. Einfach mal „anaplastisches Astrozytom“ eingeben und nachlesen. Ist gar nicht so schwer, wirklich…
2. ihr könnt mich auch gerne fragen. Ich spreche von mir aus nicht von der Durchschnittsüberlebenszeit, weil ich weiß, dass es viele einfach nicht packen, sich damit zu konfrontieren. Aber ja, ich kenne die Wahrscheinlichkeit und ja, ich habe mehrere Ärzte gefragt, wie sie die Situation einschätzen.
3. Klar, länger leben wäre eine nette Geschichte und klar, darauf hoffe ich schon irgendwie. Sich darauf verlassen, dass es schon irgendwie klappen könnte, ist naiv. Rein theoretisch könnte ich es auch überleben, wenn ich vom Hochhaus springe, aber ich würde es nicht unbedingt ausprobieren wollen. Du?
Das hat nichts mit mangelndem Optimismus zu tun oder whatever, es ist einfach logisch. In Deutschland habe ich von zwei Leuten gehört, die deutlich länger leben/ gelebt haben. Ich gönne es ihnen, von Herzen. Aber es wäre unglaublich blöd, sich darauf zu verlassen, dass das schon irgendwie klappen könnte.
4. Studium ist so eine Sache. Genauso wie Motorrad fahren. Oder was auch immer. Der Punkt ist – das sind MEINE Sachen. Ja, ein abgeschlossenes Studium wäre super. Aber es lohnt sich einfach nicht mehr, mal ganz davon abgesehen, dass ich nicht wüsste, ob ich es noch schaffen würde. Ihr habt nicht die geringste Ahnung, was für Folgen es haben kann, wenn einem zweimal im Hirn rumgestochert wird. Da gibt es eine Menge Dinge, die man nicht sofort bemerkt, erst recht nicht im Alltag, aber die DA sind.
Dasselbe beim Motorrad. Natürlich ist es ein erhöhtes Risiko, keine Frage. Aber selbst wenn – und? Erstens bin ich durchaus in der Lage, vernünftig und verantwortungsvoll zu fahren und zweitens, macht es einen Unterschied, ein Jahr früher auf der Straße oder eines später auf der Intensiv zu verrecken?
5. Kinder. Ja, ich hätte gerne Kinder. Aber jetzt welche zu bekommen, wäre nicht nur naiv, sondern grausam, ihnen gegenüber. Mal ganz davon abgesehen, dass, wenn ich jetzt schwanger wäre, die Wahrscheinlichkeit groß wäre, dass sie behindert wären oder gar nicht überleben würden (Gefahr vom Chemo); es wäre schlicht und einfach unfair und verantwortungslos, sie dann alleine zu lassen. Möchtest DU gerne einem z.B. 4jährigen Kind erklären, dass du demnächst drauf gehst? Nein?
Versteht mich nicht falsch. Ich bin durchaus ein optimistischer Mensch – aber eben realitätsnah. Wenn die Statistik mich mal kann und ich in was weiß ich wie vielen Jahren noch lebe, können wir gerne einen trinken und uns über die jetztige Zeit lustig machen. Aber zu glauben, dass es schon irgendwie klappt, dass man schon geheimnisvollerweise geheilt wird, der Tumor davongebeamt wird oder sowas… das ist naiv, es setzt Erwartungen und letztendlich verdrehte, verdeckte Vorwürfe in mich, Anforderungen, denen ich nicht gerecht werden KANN.